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Sternotherus minor minor (AGASSIZ, 1857)
Kleine Moschusschildkröte

Allgemeines:

Die Gattung Sternotherus ist untergliedert in die Arten Sternotherus carinatus, Sternotherus depressus, Sternotherus minor und Sternotherus odoratus. Die Art Sternotherus minor umfasst wiederum die Unterarten Sternotherus minor minor und Sternotherus minor peltifer.
Berichte über erfolgreiche Nachzuchten der Gattung Sternotherus sind bisher von S. odorarus (Polder 1978, Hendrischk 1979, Budde 1982, Gad 1987, Hofer & Artner, 2001), S. minor minor (Sachsse 1977, Rudloff, 1982, Zimmermann 1983, Rödel 1989, Felsner, 1999) und S. carinatus (Becker 1992,1995, Baur 1995, Felsner 2001 ) bekannt.
In dieser Arbeit soll über die kontinuierlische Nachzucht von Sternotherus minor minor über den Zeitraum von 1989 bis 2001 berichtet werden. Dabei schlüpften bei 61 Gelegen mit 202 Eiern insgesamt 162 Junge.

Verbreitung:

Als Verbreitungsgebiet von Sternotherus minor minor wird der Südosten der USA vom aüßersten Südwesten Virginias und den südlichen Tennessee bis hinunter nach Zentral, sowie zwischen Mississippi und der Atlantikküste von Georgia angegeben. (Conant 1958,1973, Nietzke 1969, 1973, Behler & King 1979, Pritchard 1979, Obst 1985, Müller 1987, 1993, Guntermann 1998, Felsner 1999). Guntermann 1998 bemerkt in seiner Arbeit (Beobachtungen an S. minor minor in natürlichen Lebensräumen in Florida), dass Sternotherus minor minor im Black Warrior Flusssystem in Alabama fehlt. Dort komme auschließlich die bedrohte Art Sternotherus depressus vor.

Sternotherus minor peltifer hat ein Verbreitungsgebiet östliches Tennessee und südwestliches Virginia bis ins östliche Mississippi und Alabama (Felsner 1999).
Jo Guntermann, Mühlheim hat 1998 eine hervorragende Arbeit zu Beobachtungen in natürlichen Lebensräumen in Florida und einen dazu passenden Vortrag bei der Jahrestagung der AG Schildkröten der DGHT in Nürnberg gemacht.

Beschreibung:

Sternotherus minor ist eine kleinbleibende, fast ausschließlich im Wasser lebende Schildkröte. Meine Tiere verlassen den Wasserteil nur zur Eiablage oder in Stresssituationen. Der Farbe des Carapax liegt zwischen hellbraun bis fast schwarzbraun.

Auch in der Größe gibt es erhebliche Unterschiede. Während die Mehrzahl meiner Tiere dem Namen minor alle Ehre machen und kaum größer als 11cm bei einem Gewicht zwischen 150g (Männchen) und 270g (Weibchen) sind, habe ich eine Gruppe, die deutlich größer und massiger ist, sozusagen Maxi-minor. Das Männchen hat hier eine Carapaxlänge von 12 cm bei einem Gewicht von 280g, die Weibchen sind fast 14 cm lang und wiegen 380g und 420g.

Der Bauchpanzer ist gelblich bis orangerot. Zwischen den Schildnähten befinden sich Bindgewebsstreifen, die durch die Hornschildrückbildung entstehen. Die Art besitzt ein Zwischenkehlschild. Durch dieses lässt sich S. minor gut von S. carinatus unterscheiden, welche dieses nicht hat (Felsner, 1999).

Hals und Kopf weisen eine gelblichbraune bis olivgrüne Färbung mit schwarzen Punkten auf. Am Kinn befinden sich zwei Barteln. Die Weichteile sind hellgrau mit schwarzen Punkten. Zwischen den Zehen befinden sich Schwimmhäute.
Sternotherus minor hat ausgeprägte Kiefer. Diese befähigen sie durchaus dazu, auch Gehäuseschnecken zu knacken.

Die Geschlechter lassen sich leicht an der Schwanzlänge unterscheiden. Dieser ist bei Männchen deutlich länger. (links)

Haltung:

Ich halte jeweils 1,1 oder maximal 1,2 Sternotherus minor zusammen. Die Tiere werden beobachtet und bei Stresserscheinungen separiert.
Die Haltung zweier Männer in einem Terrarium erscheint für mich unmöglich. Die Männchen sind sehr aggressiv gegeneinander. Selbst wenn dies in Einzelfällen gelingen sollte, wird eines dieser Männchen vom Anderen unterdrückt. Auch Weibchen können untereinander aggressiv sein. Deshalb ist die Beobachtung sehr wichtig, um Ausfälle zu vermeiden.
Ich biete meinen Gruppen jeweils ein Aquar - Terrarium mit den Maßen LBH 100x40x40cm. In diese Becken klebte ich in einer Höhe von circa 10 cm ein Landteil mit den Maßen LBH  40x33x17 cm so ein, dass die Tiere darunter Schutz suchen konnten (vergl. Glad 1987).

Der Landteil ist mit einem Sand-Torf-Gemisch im Verhältnis 2:1 gefüllt, diesen halte ich während der gesamten Aktivphase der Tiere feucht. Dazu wird jeweils circa ein halber bis dreiviertel Liter warmes Wasser auf den Landteil gegossen. Dies wird wiederholt, sobald der Landteil abgetrocknet ist.
Ergänzt wurde der Landteil mit einem ovalen Sandstein von circa 13 cm Länge. Auf diesen Sandstein wurde zur Beheizung ein 80W-Punktstrahler (Osram Concentra) gerichtet. Die Beleuchtungsdauer variiert in Abhängigkeit der Tageslänge in der Natur zwischen 8 und 14 Stunden pro Tag.
Die Wassertemperatur sollte den jahreszeitlichen Bedingungen angepasst werden. Temperaturen von 28 -29° C sollten in den Sommermonaten nicht überschritten werden. Auch in dieser Zeit ist eine Nachtabsenkung auf 22-24° C wünschenswert..
Gefiltert wird über Eheim – Innenfilter. Zur Einrichtung des Wasserteils gehört ein Lavastein, der den Tieren das Aufsuchen der Wasseroberfläche zur Luftaufnahme erleichtern soll. Da Moschusschildkröten im Wasser herumlaufen und nicht wie z.B. Graptemys oder Pseudemys zu guten Schwimmern zu rechnen sind, muß ihnen mittels der Einrichtung des Wasserteils die Möglichkeit gegeben werden, "zu Fuß" die Wasseroberfläche zu erreichen.
Eine gebogene und ins Wasserteil hineinragende Korkplatte über der Trennscheibe zum Landteil, bietet den Tieren eine weitere Versteckmöglichkeit und erleichtert ihnen den Ein- und Ausstieg (Becker 1994). Einige Kunstoffpflanzen vervollständigen die Einrichtung.
Auf eine Beleuchtung des Wasserteils wurde verzichtet, da die Tiere das Licht mieden und nur noch zum Luftholen den beleuchteten Teil des Beckens aufsuchten.
Gefüttert wird mit einem handelsüblichen Trockenfutter (Penk, Rüsselsheim) und mit einem Gelatinefutter (Becker 1992). Es enthält folgende Bestandteile: Rinderherz, Hühnerherz, ganze Sardinen, Bananen, Äpfel, Spinat, gequollenen Reis, Tomaten, Eier mit Schalen, Vitakalk, Tricrescovit, Vitamin D3 Pulver, DL-a-Tocopherol (Vitamin E) und ß-Carotin 10% iges Pulver.

Ich biete meinen Tieren auch gelegentlich Gehäußeschnecken an. Diese werden besonders gierig gefressen.
Winterruhe:

Ab Anfang November wird zuerst der handelsübliche Glasregelheizer abgestellt, bzw. die Heizung des Terrarienraumes gedrosselt. Gleichzeitig wird die Fütterung der Tiere eingestellt. Nach circa 2-3 Wochen wird der 80W-Punktstrahler ausgestellt und das Aquaterrarium mittels einer Verkleidung vollständig abgedunkelt. Die Tiere verbleiben bei circa 10° - 12° C etwa zwei Monate in Winterruhe.

Nach dieser Zeit wird in umgekehrter Reihenfolge innerhalb von drei Wochen die optimalen Haltungsbedingungen für S. minor wieder hergestellt. Die Tiere nehmen danach ihre Aktivitäten wieder auf und fressen gut.
Paarung:

Paarungen lassen sich das ganze Jahr über beobachten. Besonders intensiv sind diese allerding nach der Winterruhe. In dieser Zeit muss auf außerhalb des Wasserteils sitzende Weibchen geachtet werden. Diese flüchten vor den Paarungsversuchen der Männchen. Werden sie nicht separiert, kann es zu Verlusten kommen.

Eiablagen und Inkubation:

In den Jahren 1989 - 2001 wurden 61 Gelege abgesetzt mit zusammen 202 Eier. Die Eiablagen erfolgten das ganze Jahr über, wobei es allerdings Legeperioden gab. Diese waren jeweils über zwei bis 5 Monate eines Jahres. Keines meiner Weibchen hatte zwei Legeperioden innerhalb eines Jahres.

Die Gelegegröße schankte zwischen einem und sechs Eier, in der Regel aber zwischen drei und vier. Meine Weibchen legten bis zu fünf Gelege pro Jahr.

Die Eier werden vom Landteil in eine mit feuchtem Vermikulit gefüllte Box überführt. Die Eier sind oval und hartschalig. Bereits nach wenigen Tagen erkennt man an der Bänderung, dass die Eier befruchtet sind. Bleibt diese Bänderung aus, können die Eier verworfen werden. Die Bänderung beginnt in der Mitte des Eies und breitet sich im Laufe der Inkubation zu den Polen aus.

In den Jahren 1989 bis 1994 bebrütetet ich die Eier bei 28° C, von 1995 bis 1996 bei 29° C. Bei Untersuchungen des Einflusses der Temperatur auf die Geschlechtsentwicklung von Sternotherus odoratus wurde von Vogt et al., 1982 und Clark et al., 1986 festgestellt, dass bei Temperaturen von 28° C oder höher nur Weibchen, bei Temperaturen von 25° C 80% Männchen und dazwischen beide Geschlechter schlüpften.

Damit war klar, warum bei den Temperaturen, mit denen ich zwischen 1989 und 1996 bebrütete habe, fast ausschließlich Weibchen schlüpften. Ich habe daraufhin, einen Temperaturgradienten mit einer Nachtabsenkung gewählt. Die Temperaturen schwankten nun zwischen 24,9° und 29,3° C. Erste Ergebnisse scheinen nun auf eine ausgewogenen Geschlechterverteilung hinzudeuten. Diese Änderung der Temperatur hatte allerdings keinen signifikanten Einfluss auf die Zeitigungsdauer.
Schlupf der Jungtiere:

Die Inkubationsdauer betrug zwischen 74 und 107 Tagen. Die meisten Jungen schlüpften allerdings zwischen 83 und 89 Tagen. Das Gewicht der Schlüpflinge betrug zwischen 2,1 g und 5,07 g, üblicherweise zwischen 3,3 g und 4,8g.
Die Eier werden von den Jungtieren am Polende geöffnet.
Der Schlupf kann bis zu drei Tagen dauern.

Von einem Weibchen der „Maxi-minor - Gruppe“ schlüpften immer Jungtiere mit einem fast orangeroten Plastron.

Die Jungtiere sind ein Ebenbild ihrer Eltern nur intensiver gefärbt. Deutlich sind drei Längskiele zu sehen.

Aufzucht der Jungtiere:
Ich bringe die Jungtiere jeweils gelegeweise in ein Plastik-Aquarium mit den Maßen LBH 40x20x20 unter. Der Wasserstand beträgt circa 4 cm, die Wassertemperatur tagsüber 25-29° C, nachts 22-24° C. Auf eine gesonderte Beleuchtung wird verzichtet. Einige Sandsteine sowie Plastikpflanzen sind in den Wasserteil eingebracht, damit die Tiere an die Oberfläche gelangen können. Zusätzlich dienen diese auch als Schutz und Versteck.

Als Futter biete ich handelsübliches Trockenfutter, rote Mückenlarven und das oben beschriebene Gelantinefutter an. Dabei wachsen die Tiere gut.
Der Wasserstand wird jeweils den wachsenden Schildkrötenbabys angepast, und monatlicch um circa 2 cm erhöht. Dabei achte ich jedoch stets darauf, das die Tiere die Wasseroberfläche leicht erreichen können.

Bei der Aufzucht sollte genau die Gewichtsentwicklung beobachtete werden. Bleibt ein Tier zurück, muss es separiert werden. Oft handelt es sich dabei um zwei oder mehrere Männchen, die zwar von uns Haltern noch nicht von Weibchen unterschieden werden können, dies aber wohl wissen.

Danksagung:

Ich möchte mich ganz herzlich bei Bernd Eidenmüller, Frankfurt bedanken. Er gestaltet diese Homepage und ist mein „Motivator“. Ohne ihn gäbe es diese Seite nicht. Desweiteren möchte ich mich bei Hubert Felsner, Langenlois und Jo Guntermann, Mülheim für die vielen Gespräche über unsere Sternotherus - Lieblinge bedanken.

Literatur:

Babcock, H.E. (1971): Turtles of the Northeastern United States. - New York
Baur, M. (1995): Erfolge und Mißerfolge bei der Pflege der Gekielten Moschusschildkröte.-DATZ 48 (4): 242-244.
Becker, H. (1992): Beobachtungen bei der Haltung und Nachzucht von Sternotherus carinatus (Gray, 1856) -Bonn, Salamandra 28(1): S. 9-13
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Becker, H & A. Müller. (1997): Benerkenswerte Beobachtungen bei der Aufzucht der gekielten Moschusschildkröte (Sternotherus carinatus) (Gray, 1856) -Elaphe 5(3): S. 10-15
Behler, I.L. & King, W.F. (1979): The Audubon Society Guide to North America Reptilesand Amphibians. - New York (Alfred A. Knopf Inc), 743 S.
Bramble, D.M., Hutchison, J.H. & Legler, J. M. (1984): Kinosternid shell kinesis: structure, function and evolution. -  Copeia, 1984: 456-475
Budde, H. (1982): Durch Nachzucht erhalten: Die Moschusschildkröte.- Aquarien Magazin 16: 242-246.
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