Eine Reise zu den Schildkröten von Nova Scotia (Neuschottland) / Kanada

(Ein Reisebericht in zwei Teilen)

Teil 1 - Der Kejimkujik-Nationalpark

Teil 2 - Wälder, Bäche, Waldbachschildkröten

Teil 1 – Der Kejimkujik-Nationalpark

Einleitung:

Wenn sich drei Personen für Schildkröten interessieren und darüber hinaus für eine bestimmte Art eine gewisse Vorliebe entwickelt haben, liegt es schon recht nahe, eine gemeinsame Exkursion durchzuführen, um diese Schildkröte einmal in ihrem Lebensraum beobachten zu können. Aufgrund einer Reise von Herbert Becker und Andreas Gräf im Jahr 2001 sowie einer Reise von Andreas Gräf im Jahr 2004 und der daraus  resultierenden guten Kontakte zu John Gilhen, Curator Emeritus des Museum of Natural History, Halifax, und Duncan Smith, Biologe bei Parcs Canada, entschlossen wir uns auf der Jahrestagung der AG Schildkröten im Jahr 2006, eine weitere Reise, diesmal zu dritt, durchzuführen.
Die Reise unterteilte sich in zwei Themen-Schwerpunkte. Zunächst besuchten wir Duncan Smith im Kejimkujik-Nationalpark. Er wollte uns dort die Schildkröten und ihre Lebensräume im Nationalpark näher bringen.

Den zweiten Teil der Reise verbrachten wir zusammen mit John Gilhen auf Cape Breton, um dort zwei Populationen der Waldbachschildkröte zu untersuchen.

Ziel war es unter anderem, Eiablagen der Amerikanischen Sumpfschildkröte (Emydoidea blandingii) und der Waldbachschildkröte (Glyptemys insculpta) zu beobachten.

Allgemeine Informationen über Nova Scotia

Mit nahezu 55.300 km² ist Nova Scotia die zweitkleinste Provinz Kanadas, aber etwa so groß wie Hessen und Baden-Württemberg zusammen. In Nova Scotia leben heute ungefähr 900 000 Einwohner, davon wiederum ca. 372.000 in der Hauptstadt Halifax.

Nova Scotia ist nahezu vollständig vom Wasser des Atlantiks, des Golfes von Sankt-Lorenz, der Northumberland-Straße und der Fundy Bucht umgeben. Allein im Nordwesten besteht eine recht schmale Verbindung zum Festland nach New Brunswick.

Bevor im 16. Jahrhundert die europäische Besiedlung Neuschottlands begann, wurde die Atlantikregion von den Mi`kmaq-Indianern bewohnt.

Nova Scotia bietet neben dem Leuchtturm von Peggys Cove als Wahrzeichen vor allem landschaftliche Sehenswürdigkeiten. Sowohl im Kejimkujik- als auch im Cape Breton Highland Nationalpark kommt man als Wanderer voll auf seine Kosten. Im Südwesten lassen sich von Brier Island aus in der Bay of Fundy sehr gut Wale beobachten. 

Neben Fischfang und Tourismus bilden Holzwirtschaft sowie Acker- und Obstbau den größten Teil der Wirtschaftseinnahmen des Landes.
Die Herpetofauna von Nova Scotia

Die Herpetofauna Neuschottlands kann sich durchaus sehen lassen und ist sicher nicht nur für Schildkröteninteressierte eine Reise wert. Schlangen, Molche und Salamander sind mit je fünf Arten vertreten. Froschlurche bringen es auf acht Arten.

Für uns waren jedoch die vier Schildkrötenarten, die hier neben den Vorkommen in Quebec und Ontario ihre nördlichste Verbreitung haben, von Interesse. Dabei handelt es sich um die Schnappschildkröte (Chelydra s. serpentina), die Waldbachschildkröte (Glyptemys ínsculpta, die Amerikanische Sumpfschildkröte (Emydoidea blandingii) und die Östliche Zierschildkröte (Chrysemys p. picta).

Oakland Farm Zoo

Nach einem Flug Frankfurt-Keflavik (Island) - Keflavik-Halifax erreichten wir etwas müde am Abend des 14. Juni 2006 gegen 21:30 Uhr Kanada. Das von Deutschland aus gebuchte Motel hielt noch etwas für den Magen bereit und servierte auch noch das erste kanadische Bier.

Am nächsten Tag stand auf dem Weg zum Kejimkujik-Nationalpark ein Besuch bei Mike Brobble im Oakland Farm Zoo in Aylesford in der Provinz Annapolis County auf dem Programm. Diesen Besuch hatte John Gilhen aus dem Naturkundemuseum in Halifax für uns organisiert.

Die Hauptattraktion des Zoos ist Rutledge, der angeblich schwerste Löwe der Welt mit einem Gewicht von fast 370 kg. Uns aber interessierten nur die Schildkröten.

Der Zoo arbeitet beim Erhaltungsprogramm der Amerikanischen Sumpfschildkröte (Emydoidea blandingii) im Kejimkujik-Nationalpark mit. Mike Brobble zeigte uns eine Anzahl von Schlüpflingen des Vorjahres. Hier werden die Tiere kontrolliert ein bis zwei Jahre in menschlicher Obhut aufgezogen, um dann in ihr ursprüngliches Biotop entlassen zu werden. Von den Jungtieren, dir wir begutachten durften, wurden laut John Gilhen in diesem Jahr (Juli) die ersten Tiere ausgewildert.

In einer Freianlage fanden wir neben zwei Waldbachschildkröten einige Tiere der Östlichen Zierschildkröte (Chrysemys p. picta). Alle Tiere stammen aus der näheren Umgebung des Zoos und vermehren sich selbstständig.

Nicht unerwähnt soll die Haltung der Ägyptischen Landschildkröte (Testudo kleinmanni) bleiben, von denen auch Nachzuchten zu begutachten waren, sowie einige Pantherschildkröten (Geochelone pardalis) und Köhlerschildkröten (Geochelone carbonaria).

Mike Brobble führte uns zunächst durch den Zoo und zeigt uns vor der Verabschiedung den Fundort der Glyptemys insculpta im Annapolis River, welcher direkt an den Zoo angrenzt.

Wir konnten zwar keine Waldbachschildkröten finden, sichteten jedoch in einem stark verkrauteten Gewässer unsere erste Chrysemys p. picta.

Nebenbei konnten wir auch noch verschiedene Orchideen, Tagnelken und Blaue Iris, Biber (Castor canadensis) und Kanadagänse (Branta canadensis) in Augenschein nehmen.

Weiter ging es dann am Nachmittag in Richtung Schildkröten-Hotspot von Kanada.

Kejimkujik-Nationalpark
Der Nationalpark erstreckt sich über 381 km². Im Park finden sich kleine und größere Seen, die von Nadelmischwald (bis zu 300 Jahre alte kanadische Hemlocktannen (Tsuga canadensis)) und Hartholz-Laubwäldern umgeben sind. Die Gewässer laden zu Kanutouren ein, die eine gute Möglichkeit bieten, die Schildkrötenfauna des „Keji“ kennenzulernen. Durch den hohen Tannin-Gehalt ist das Wasser der Seen und Flüsse braun gefärbt und als weich zu bezeichnen. Messungen ergaben einen ph-Wert von 5.5 (25.06.2004). An größeren Säugetieren kommen Weißwedelhirsche (Odocoileus virginianus), Baumstachler (Erethizon dorsatum), Kojoten (Canis latrans), Wasschbären (Procyon lotor) und, wenn auch selten, Schwarzbären (Ursus americanus) im Park vor. Mit Glück können auf den Seen Eistaucher (Gavia immer) gesichtet werden. Weißkopfseeadler (Haliaeetus leucocephalus) nisten ebenfalls im Park und sind recht häufig zu sehen.
Situation der Amerikanischen Sumpfschildkröte in Nova Scotia

Die Amerikanische Sumpfschildkröte kommt in Neuschottland nur im Gebiet in und um den Nationalpark Kejimkujik vor. Ihr Bestand wird im Augenblick auf ca. 300 adulte Tiere im und außerhalb des Nationalparks geschätzt. Wenn man sich das Gebiet um den Nationalpark vor Augen hält, kann man sich gut vorstellen, dass es in den nächsten Jahren sicher weitere Sichtungen dieser Schildkröte geben wird.
Durch die Acadia Universität Wolfsville wurden bisher einige Arbeiten über die Amerikanische Schildkröte veröffentlicht. Wir hatten uns mit Duncan Smith verabredet, der uns zu den Nistplätzen von Emydoidea blandingii im Nationalpark mitnehmen wollte.

Zuvor stand jedoch noch die Suche nach einem Quartier für die nächsten drei Nächte auf der Tagesordnung. Wir fanden eine Bed & Breakfast-Unterkunft bei Aunt Netti in Caledonia, ca. 15 km vom Park entfernt. (http://www.northqueens.com/pages/anetties.html)

Gespannt fragten wir uns, ob wohl schon an diesem Abend die Möglichkeit bestehen würde, mit Duncan einen Teil der Nistplätze zu besuchen. Man kann es vorweg nehmen, Duncan Smith hat uns unvergessliche Tage im Kejimkujik bereitet! Als Treffpunkt war um 18:00 Uhr das Besucherzentrum des Parks ausgemacht.

Dieses Zentrum ist ein großzügig angelegtes Informationsgebäude, in welchem die Besucher über die hier vorkommende Fauna und Flora informiert werden. Ein Schaubecken mit etwa zweijährigen Emydoidea blandingii ist der Eyecatcher im Mittelpunkt des Raumes.

Ein Teil der Ausstellung ist auch den Ureinwohnern, den Indianern des Stammes der Mi`kmaq gewidmet. Obligatorisch für nordamerikanische Zentren ist natürlich ein gut sortierter „Giftshop“

Direkt neben der Straße zum Zentrum erwartete uns das erste Highlight des Abends. Eine Chrysemys picta picta hatte eine Eigrube ausgehoben und legte gerade ihre Eier ab.

Duncan Smith hatte bereits ein Boot organisiert und fuhr mit uns in circa 30 Minuten vom kleinen Boothafen Jakes Landing zu den Legeplätzen im äußersten Nordwesten des Sees.

Ab Juni werden die Eiablageplätze der Amerikanischen Sumpfschildkröte von Mitarbeitern des Parks, aber auch von freiwilligen Helfern kontrolliert (Friends of Keji). Dies geschieht in kleinen Gruppen, da die Eiablageplätze verstreut im Park liegen. Ein gewisser Teil der Nistplätze lässt sich per PKW und zu Fuß erreichen. Einige Ablageplätze sind aber nur mit einem Motorboot erreichbar.

 Nach Meinung von Duncan war der Zeitpunkt ideal. Seit einigen Tagen erwartete er die ersten Eiablagen. Während der Fahrt waren wir Zeugen eines einmaligen Naturschauspieles, welches sogar Duncan in seiner zehnjährigen Tätigkeit noch nie geboten wurde. Die untergehende Sonne verwandelte die Wälder in glühende Farben.

Nach der Landung bei den Legeplätzen wurden erst mal die Utensilien ausgeladen. Wir waren nun Teil der Crew, welche die Nester der Emydoidea blandingii katalogisieren und anschließend schützen soll.

Vorsichtig liefen wir am Ufer hin und her, immer auf der Suche nach eierlegenden Emydoidea blandingii. Wir waren überrascht, hier keinen feinen Sandstrand, sondern ein sehr grobes Kiesufer vorzufinden.

Schon kurz darauf entdeckten wir eine Chrysemis picta picta, die gerade ihre Eigrube verschloss.

Etwas später, die Dämmerung war schon weit fortgeschritten, entdeckte Duncan Smith die erste Eymidoidea blandingii. Das Tier begann eine Eigrube auszuheben. Wir mussten uns nun sehr ruhig verhalten, um das Tier nicht zu stören. Duncan wies mehrfach darauf hin, wie empfindlich die Schildkröten auf Störungen reagieren, also begaben wir uns in einige Entfernung und warteten ab.
Während dieser Zeit entdeckten wir eine Strumpfbandnatter (Thamnophis sirtalis pallidula), die versuchte, eine Amerikanische Kröte Bufo a. americanus zu jagen.

Duncan kontrollierte mit dem Fernglas von Zeit zu Zeit und aus großer Entfernung die grabende Schildkröte. Er sagte, dass es kein Problem sei, sich dem Tier zu nähern, wenn sie angefangen habe zu legen. Leider war das an diesem Abend nicht der Fall, denn das Weibchen ging nach einiger Zeit zurück ins Wasser.

Etwas frustriert kehrten wir zum Ausgangspunkt zurück. Nach einer kurzen Lagebesprechung konnten wir noch die kanadische Gastfreundschaft genießen und tranken alle zusammen ein kühles Bier am Lagerfeuer. Dabei erzählte uns Duncan Smith etwas von der Arbeit der Volontäre. Diese kommen aus ganz Kanada, um das Projekt zu unterstützen. Während der Eiablagezeit, von Mitte Juni bis Mitte Juli, kontrollieren sie jeden Abend und bis in die späte Nacht die bekannten Eiablageplatze und sichern diese mit speziellen Kästen. Dazu aber später. Im September bis Anfang Oktober helfen sie bei der Kontrolle der schlüpfenden Schildkröten. Während dieser Zeit leben sie auf dem Campingplatz des Nationalparks. Duncan Smith und sein Team haben für die Helfer auch ein Rahmenprogramm entwickelt. So soll es am folgenden Tag mit Kanus auf den See gehen, um nach Emydoidea blandingii Ausschau zu halten. Wir waren natürlich sofort Feuer und Flamme und durften uns anschließen.

Am Morgen trafen sich dann alle 13 Helfer am sandigen Ufer von Jeremy’s Bay und die Kanus wurden zu Wasser gelassen. In Gruppen von zwei oder drei Personen wurde über den See gepaddelt. Das Team Gräf/Landweer (nicht gerade als große Kanutenhoffungen bekannt) konnte mit den Einheimischen recht gut mithalten! Herbert hatte mehr die Taxivariante gewählt und ließ sich von Duncan und einer Mitarbeiterin des Projektes über den See paddeln.

Unterwegs hielt Duncan und seine Kollegin Heather einen Vortrag über die Gefährdung und den Schutz der amerikanischen Sumpfschildkröte. Als Anschauungsmaterial diente eine ausgezeichnete Plastik.

Während unserer Fahrt über den See sahen wir zahlreiche Chrysemys picta picta, die entweder auf kleinen Inseln, Baumstämmen oder auch auf Schwimmpflanzen saßen.

Plötzlich entdeckte Duncan auf einem Schwimmpflanzenteppich eine kleine Emydoidea blandingii und es gelang ihm, diese zu fangen.

Das Tier wurde vermessen und gewogen, die Daten in ein Formblatt eingetragen. Die Daten werden dann mit der umfangreichen Datensammlung verglichen und so festgestellt, ob es sich um eine Neusichtung handelt bzw. aus welchem Nest das Tier stammt.

An diesem Tag sahen wir außer dem juvenilen Tier noch zwei weitere kleine Schildkröten sowie ein imposantes adultes Männchen. Die Tiere saßen im Wasser auf einer ca. 30 cm dicken Schwimmpflanzenschicht. Nach Messung von Urs war der Temperaturunterschied zwischen dem Pflanzenteppich und freiem Wasser erheblich. In der Schicht betrug die Wassertemperatur 25 °C, unter der Schicht hatte das Wasser eine Temperatur von 17 °C.
Allerdings erschweren die Schwimmpflanzen die Fluchtmöglichkeit der Schildkröten, sodass Duncan das 23 cm große und 1,300 kg schwere männliche Tier fangen konnte. Es war für uns ein sehr erfolgreicher Tag und abends ging es ja wieder zu den Beobachtungen raus.

Dieses Mal sollte eine Stelle im zweiten Vorkommen kontrolliert werden (McGowan Lake). Die Ablageplätze lagen mitten im Wald in der Nähe des Sees. Auch hier fanden wir zwei grabende Weibchen, die direkt auf dem Waldweg saßen. Telemetriebeobachtungen im Uferbereich des zweiten Vorkommens komplettierten diesen Abend.

Bei der Rückkehr zum Stützpunkt wurde uns die Ausbeute des zu Ende gehenden Tages gezeigt. Zwei neue, noch nicht registrierte Schildkröten wurden katalogisiert und in die Datenbank aufgenommen. Es handelte sich  dabei um ein etwa 5 cm großes Jungtier und ein subadultes Weibchen. Die Mitarbeiter des Stützpunktes zeigten uns auch noch ein adultes Weibchen, welches sich zwecks Eiablage in der Nähe des Zentrums aufhielt. Dieses wurde mittels Telemetrie entdeckt, es trug einen aufgeklebten Transponder.

Während unsere Expedition nicht von Erfolg gekrönt war, hatte ein anderes Team an diesem Abend Glück. Direkt an der Straße vom Informationszentrum in Richtung Jakes Landing hatte eine Emydoidea blandingii diese Nacht ihre Eier abgelegt. Die erste in diesem Jahr. Das Nest wurde mit einem Holzrahmen umrandet, der mit Drahtgeflecht abgedeckt ist, mit Steinen beschwert und mit Hinweisschildern gesichert. Auch an einer anderen Ablagestelle mitten im Wald und circa 2500 m vom nächsten Gewässer entfernt legte, wie jedes Jahr, eine andere Schildkröte ihre Eier ab. Hier wird deutlich, dass die Tiere sehr weite Wege zu ihrem Nestplatz zurücklegen können und auch sehr standorttreu sind.

 

Der erfolgreiche Abend wurde in einer gemütlichen Runde mit allen freiwilligen Helfern am Lagerfeuer des Zeltplatzes beschlossen. Die Nistsaison hatte begonnen!!!!!

Den nächsten Tag wollten wir dazu nutzen, früh morgens nach Schnappschildkröten Ausschau zu halten. Duncan Smith hatte uns gesagt, dass zum Unterschied zur Amerikanischen Sumpfschildkröte Schnappschildkröten bereits morgens bis 10 Uhr am besten beim Ablegen zu beobachten sind. Deshalb machten wir uns an diesem Tag bereits um 07:30 Uhr auf den Weg zum Nationalpark. Wir mussten nicht weit fahren. Etwa 5 Kilometer außerhalb von Caledonia entdeckte Andreas am Straßenrand eine knapp 30 cm große Schnappschildkröte.

Bei der Kontrolle des Tieres sahen wir sofort, dass sie eine Eigrube ausgehoben hatte und Eier legte. Das Tier ließ sich von uns vorerst nicht stören.

Als wir uns jedoch für ihre Begriffe doch zu aufsässig benahmen, griff sie uns an und schnappte in alle Richtungen. Dabei ging sie aktiv auf uns zu. Eine knifflige Angelegenheit, da wir um sie herum auf dem Bauch lagen und Fotos schossen.

Wir hatten somit bereits die dritte Art bei der Eiablage beobachten können. In der Hoffnung, noch weitere zu sehen, ging es weiter zum Nationalpark. Wir fuhren zum Merrymakedge, dem Badestrand im Kejimkujik, wanderten diesen Strand entlang und fanden im seichten Ufergebiet rund 10 cm große Kaulquappen. Langsam entfernten wir uns vom Trubel und kamen an den Übergang zum Grafton Lake. Wir waren beeindruckt von der Schönheit und Stille dieses Platzes. Hier im feinen sandigen Boden fanden wir viele geplünderte Schnappschildkrötennester mit Hunderten zerstörter Eier. Ein Weißkopfseeadler (Haliaeetus leucocephalus) zog über unseren Köpfen seine Runden und ein Weißwedelhirsch (Odocoileus virginianus) graste am anderen Ufer.

2001 fanden wir direkt bei der Brücke des Mersey Rivers, der den George Lake mit dem Loon Lake verbindet, eine frisch geschlüpfte Schnappschildkröte. Deshalb sahen wir hier noch die Chance, weitere Eier legende Weibchen zu entdecken. Wir hatten allerdings durch die Beobachtung des ersten Weibchens und die Wanderung am Merrymakedge einiges an Zeit verloren. Es war nun schon Mittag. Das erklärt, weshalb wir an diesem Tag nicht noch weitere eierlegende Weibchen fanden.

Am Ufer des Mersey River entdeckten wir aber noch zwei Schlangenarten, die Östliche glatte Grasnatter (Opheodrys v. vernalis) und die Quebec-Strumpfbandnatter (Thamnophis sirtalis pallidula),
aber auch Amphibien wie den Leopardfrosch (Rana pipiens) oder die Östliche Amerikanische Kröte (Bufo americanus americanus)

sowie Schmetterlinge wie den Vielgeschwänzten Schwalbenschwanz (Papilio multicaudata).

Wir wanderten nun, ausgehend von Jakes Landing, durch die Farnwälder des Nationalparks Neben den beeindruckenden Farnen sahen wir auch Baumpilze und Flechten.

Am Abend stand dann wieder der Einsatz der Volontäre auf dem Programm. Einerseits sollten die Ufer des ersten Tages im äußersten Nordwesten des Sees kontrolliert werden, andererseits auch die Plätze am Peters Point. Der Abend an den Ufern schien erfolgversprechend zu werden.

Die Teams entdeckten insgesamt sechs Weibchen, die Nester aushoben. Allerdings wurden diese durch einen Waschbär gestört und gingen wieder ins Wasser. Nur ein Team war erfolgreicher. Neben einer Eiablage der Schnappschildkröte konnte ein weiteres Nest der Amerikanischen Schildkröte gesichert werden. Wieder beendete ein kurzer Umtrunk mit Lagebesprechung den Abend am Lagerfeuer.

Für uns war die Etappe „Keji“ beendet. Es wurde Zeit, Abschied zu nehmen. Nicht nur von der beeindruckenden Natur des Nationalparks, sondern auch von Menschen, die uns ermöglicht haben, hier einige Tage mit ihnen zusammen diese Natur zu genießen.

Danke Duncan und danke den Friends of „Keji“.

Am nächsten Morgen wollten wir aufbrechen zum zweiten Teil unserer Reise, zu den Waldbachschildkröten auf Breton Island.

Teil 2 / Wälder, Bäche, Waldbachschildkröten
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Am 18. Juni machten wir uns nun auf in Richtung Halifax. Unsere Planung sah vor, dort John Gilhen vom Naturkundemuseum abzuholen, um dann gemeinsam nach Cape Breton zu fahren.
John Gilhen arbeitet dort als Kurator Emeritus und sein Bearbeitungsgebiet ist neben der Herpetologie auch die Ichthylogie.
Auf dem Weg nach Halifax konnte noch so manche Schnappschildkröte am Straßenrand gesichtet werden. Selbst in den Vorgärten von Wohnhäusern laufen diese urweltlichen Geschöpfe herum und suchen in dieser Jahreszeit nach geeigneten Legeplätzen.
Nach ca. drei Stunden Fahrzeit erreichten wir das Museum. Es liegt zentral in der Stadt, nicht weit entfernt vom Hafen. John und seine Frau Karen erwarteten uns schon und führten uns durch Museum und Arbeitsräume. Im Erdgeschoss befinden sich einige Terrarien, die einen Querschnitt durch die Herpetofauna Nova Scotias bieten. So werden in einem Becken Östliche Zierschildkröten Chrysemys p. picta gezeigt. Zu sehen waren außerdem: Flecken-Querzahnmolche Ambystoma maculatum und Ambystoma laterale, Strumpfbandnattern Thamnophis sirtalis pallidula, Ringhalsnattern Piaclophis punctatus edwardsi sowie einige Froschlurche wie Pseudacris c. cruficer, Leopardfrösche Rana pipienso und der Waldfrosch Rana sylvatica.Das Museum beherbergt aber auch noch eine der vielleicht bemerkenswertesten Schildkröten der Welt, nämlich Gus! GUS ist vermutlich die älteste in Gefangenschaft lebende Gopherschildkröte Gopherus polyphemus. Gus lebt seit 1940 im Museum und feierte dort am 10. Juni 2008 ihren 86. Geburtstag.
Nachdem wir das Gepäck von John im Wagen verstaut hatten, machten wir uns auf den Weg nach Norden. Johns Frau Karen sollte uns am Nachmittag folgen, um mit uns ebenso die Woche auf Cape Breton zu verbringen. Das Wetter an diesem Tag war nicht gerade verheißungsvoll. Es herrschten ca. 10 °C in Verbindung mit teilweise heftigem Wind und Regen. An Eiablagen von Glyptemys insculpta dachte in diesen Stunden von uns vieren wohl niemand. Eher an das Lied „Winter in Kanada“. Aber so schlimm war, oder besser gesagt kam es dann doch nicht. Auf Cape Breton sollte sich mal wieder zeigen, dass sich das Wetter hier auch sehr schnell wieder ändern kann. Nach einer Stärkung in einem Fastfood Restaurant erreichten wir nach ca. 3½ stündiger Fahrt den Canso Causeway. Dieser Damm verbindet seit 1955 Cape Breton mit dem Festland.
Cape Breton

Die Cape-Breton-Insel liegt ostnordöstlich des Festlands und grenzt mit ihrer Nord- und Westküste an den Sankt-Lorenz-Golf; die Westküste bildet gleichzeitig die Ostgrenze der Northumberland-Straße. Cape Breton ist ca. 10.310 km² groß und ist damit etwa viermal größer als das Saarland. Cape Breton hat neben einer felsigen Küste auch dazu passend eine der schönsten Küstenstraßen Kanadas zu bieten.
Die Besiedelung durch französische Kolonisten begann im 17. Jahrhundert. Hauptstadt in den Anfangsjahrzehnten war Louisbourg, deren Rekonstruktion heute eine Hauptsehenswürdigkeit der Insel ist. Im späten 18. Jahrhundert kamen zahlreiche britische, vor allem schottische Siedler nach Cape Breton. Hierzu gehören etwa 50.000 Hochlandschotten, die aufgrund der sogenannten Highland Clearances aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Ihre Nachfahren prägen die Insel und ihre Kultur bis heute.
Die Landschaft Cape Bretons wird bestimmt durch die Höhenzüge des Cape Breton Highland Nationalparks im Norden der Insel und durch das Bras d'Or Seensystem, welches den Mittelpunkt der Insel bildet.

Die Berge des Nationalparks erreichen eine Höhe von bis zu 554 Meter und bilden damit die höchsten Erhebungen Atlantik-Kanadas.
Das Bras d’Or Seensystem ist ungefähr 80 km lang, 30 km breit und hat eine Ausdehnung von 1.100 km². Über zwei Kanäle ist es mit dem Atlantik verbunden und hat damit fjordähnliche Merkmale und leicht brackiges Wasser.
Cape Breton ist seit ca. 3000 Jahren durch das Ansteigen des Meeresspiegels vom Festland getrennt. Über Auswirkungen auf Flora und Fauna lässt sich nur spekulieren. Untersuchungen zu dieser Thematik wären sicherlich sehr hilfreich und existieren - wenn überhaupt - wohl nur spärlich.
Bezogen auf die nördliche Breite liegt Cape Breton in etwa auf der Höhe von Lyon und Mailand. Für kanadische Verhältnisse sind die Winter in Nova Scotia als moderat zu bezeichnen. Im Vergleich zu Deutschland sind sie allerdings extremer.

Situation der Waldbachschildkröte (Glyptemys insculpta) in Nova Scotia
Zurzeit sind drei Hauptverbreitungsgebiete der Waldbachschildkröte auf Nova Scotia bekannt. Die höchste Individuendichte ist auf dem Gebiet um Antigonish mit weit über 400 Exemplaren zu finden. Untersuchungen des zweiten Verbreitungsgebietes auf Cape Breton werden federführend auf Initiative von John Gilhen durchgeführt, systematische Zählungen haben aber noch nicht stattgefunden. Das bisher am wenigsten untersuchte Vorkommen liegt im Gebiet des Annapolis River nahe der Stadt Aylesford.

Die Waldbachschildkröte ist in Neuschottland aus unserer Sicht nicht unbedingt als gefährdet anzusehen. Jedoch wird sie als Art eingestuft, die durch menschliche Einflüsse schnell zu einer solchen werden kann. Die Zerstörung der Lebensräume durch forst- und landwirtschaftliche Nutzung ist hier als besondere Gefahr zu sehen. Schon Saumure et al fordern in ihrem Artikel die Agrarindustrie auf, die Schnitthöhe der Mäher auf 100 mm anzuheben, was dazu führen würde, dass Verletzungen deutlich unwahrscheinlicher wären.
Ein weiteres Problem sind die natürlichen Prädatoren, hier an erster Stelle der Waschbär. Bei unseren Untersuchungen im September 2001 haben wir allein bei zwei Wanderungen 13 ausgeraubte Nester gefunden.
Inwieweit die Waldbachschildkröte auch als Haustier in Nova Scotia gehalten wird, ist ungewiss. Jedenfalls haben wir bei unseren Exkursionen zwei Exemplare entdeckt, bei denen ein Marginalschild durchbohrt war. Das wird in einigen Ländern so gemacht, um die Schildkröte mittels einer Kordel anzubinden oder mit einem angebundenen Luftballon sichtbar zu halten.
Die Vorkommen der Waldbachschildkröte in Neuschottland liegen alle außerhalb der beiden Nationalparks, dadurch geniessen sie keinerlei Schutz.

Apple-Tree Farm
Ziel unserer Fahrt war an diesem Tag die Apple-Tree Farm von Bruno und Liliane Spieser in Glendale. Hier schlugen wir sozusagen unser „Basislager“ für die Exkursionen in der Umgebung auf.
Für Andreas Gräf war es bereits das fünfte Mal, dass er auf der Farm Station machte. Hier  wird Schwyzerdütsch gesprochen, was den Schweizer Urs Landweer besonders freute. Bruno und Liliane Spieser sind vor einigen Jahren aus der Schweiz hier nach Cape Breton gekommen und haben sich mit der Farm wohl eine Art Lebenstraum erfüllt, der aber sicher hart erarbeitet werden muss. Liliane und Bruno züchten und arbeiten auf der Farm mit Islandpferden und bilden die Pferde hier entsprechend aus. Daneben beherbergt die Farm auch noch einige Schottische Hochlandrinder und viele verschiedene Hauskatzen.
Nach der Begrüßung und dem Beziehen der Zimmer ging es an diesem Abend noch ins Feld. Wir wollten Urs - wenn möglich- noch seine erste Waldbachschildkröte in freier Wildbahn gönnen. Das Wetter war etwas besser geworden. Die Temperatur war etwas gestiegen, und auch der Regen hatte nachgelassen. Mit der starken Bewölkung konnten wir gut leben. Ziel der ersten Exkursion sollten kleinere Kiesteiche sein, an denen John Gilhen und Andreas Gräf 2004 Waldbachschildkröten gefunden hatten.
Außerdem sind diese Teiche gute Fundorte für eine Reihe von Amphibien. John war für eine Untersuchung auf der Suche nach adulten Notophthalmus viridescens (Grüner Wassermolch). Diese Molche weisen als Besonderheit während der Jugend- und Landphase eine recht schöne orange-rote Färbung auf. John wollte sowohl adulte als auch Tiere in der Jugendfärbung mit zurück ins Museum nach Halifax nehmen. Das erste, was uns John Gilhen jedoch zeigte, war Bärenlosung, zum Glück nicht mehr ganz frisch. Angeblich braucht man zwar vor Schwarzbären - und nur diese kommen in Neuschottland vor - keine großen Bedenken zu haben, etwas komisch fanden wir die Vorstellung, eventuell auf einen Bären zu treffen, aber schon. Die Gedanken an einen Bären waren jedoch nur von kurzer Dauer, denn Andreas Gräf konnte auf dem Gewässergrund einer der Teiche eine Waldbachschildkröte im 30-40 cm tiefen Wasser ausmachen. Da John seine Wathosen schon angezogen hatte, brauchte sich der Rest der Gruppe nicht die Füße nass zu machen, obwohl Herbert Becker kaum daran zu hindern war, sich ins Wasser zu stürzen. Es dauerte nicht lange und John hielt eine männliche adulte Waldbachschildkröte in seinen Händen. Das Tier wurde vermessen, fotografiert und gewogen. Die Daten wurden gleichzeitig in einem vorher angefertigten Erfassungsbogen festgehalten. Zufrieden ging es zurück zur Apple-Tree Farm. Inzwischen war auch Karen Gilhen dort eingetroffen und es konnte ans Abendbrot gehen.
Im Feld
Für unsere feldherpetologischen Untersuchungen hatten wir uns einiges vorgenommen. Im Vorfeld hatte Andreas bereits einen Erfassungsbogen konzipiert, in welchen wir außer den Daten (GPS-Daten, Uhrzeit des Fundes, Wetter, Gewicht, Länge, Breite, Höhe der Schildkröte) auch Panzeranomalien und Verletzungen eintragen konnten.

Außerdem wollten wir von allen Waldbachschildkröten, die wir finden, eine Fotodokumentation mit Carapax- und Plastronbild erstellen. Dazu hatten wir uns folgendes System ausgedacht. Auf ein leeres Filmdöschen wurde eine fortlaufende Nummer geklebt, welche dann zusammen mit der Schildkröte fotografiert wurde. Dadurch ließen sich die einzelnen Bilder leicht zu den entsprechenden vorher erhobenen Daten zuordnen.
Außerdem wollten wir mittels iButtons die Temperaturentwicklung über 90 Tage in Schildkrötennestern aufzeichnen, da für Freilandinkubationen etwa 70 bis 80 Tage angegeben werden. Dazu hatten wir mit Silke Schweitzer vom Emys–Projekt Reinheimer Teich Kontakt aufgenommen, die uns wertvolle Tipps gab. Leider ist dieser Versuch gescheitert, wie sich im nachhinein herausstellte, da es gerade in diesem Jahr im Juli und August sehr starke Regenfälle gab und die von uns ausgewählten Sandbänke alle vom Hochwasser weggespült wurden und die iButtons nicht wiedergefunden wurden.

Der Morgen zeigte sich zunächst recht neblig. Doch Bruno meinte, der Wetterbericht höre sich eigentlich ganz gut an. Nach einem tollen Frühstück ging es kurz nach acht ins Feld.

Wir wollten einen Flussabschnitt des River Inhabitans besuchen. 2004 wurde dieser Bereich von John als „Wood Turtles-Heaven“ tituliert. Ein Begriff, der beim ersten Anblick des Gewässers und der umgebenden Landschaft nicht schlecht gewählt ist. Der Fluss ist absolut naturbelassen. In Abständen haben sich Sandbänke gebildet. Große Baumstämme liegen kreuz und quer. Man kann erkennen, dass sich das Gesicht des Flusses wohl doch von Zeit zu Zeit verändert. Am Ufer breitet sich eine üppige Vegetation (u.a. Farne, Erlen)  aus, die den Schildkröten eine entsprechende Deckung liefert.

Hier wie auch an anderen Stellen auf Cape Breton wird der Lebensraum von Glyptemys insculpta häufig von Wiesen begleitet, auf denen die Tiere zahlreiche Schnecken und weiteres Futter finden, alles was eine Waldbachschildkröte zum Leben braucht.

 

Allerdings stellen diese Wiesen auch eine Gefahr für die Schildkröten dar, denn einige Male wurden Tiere mit verheilten Verletzungen gefunden, die wohl durch eine Begegnung mit einer Mähmaschine verursacht wurden.

Wer John Gilhen kennt weiß, dass er mit dem Begriff Wood Turtles-Heaven sicher keine verklärte Sichtweise an den Tag legt. Er ist Realist, und eher treibt ihn der Gedanke, Dingen auf die Spur zu kommen, die den Schildkröten ein Überleben erschweren oder gar unmöglich machen. So sucht John Gilhen bei jeder Gelegenheit auch das Gespräch mit den Farmern. Ziel ist es u.a. zu erwirken, die Messer der Mähmaschine etwas höher einzustellen, um so teilweise tödlich verlaufende Verletzungen bei den Schildkröten zu vermeiden. Auch hat es sich als günstig erwiesen, bei den Farmern oder Besitzern um Erlaubnis für das Betreten der Grundstücke bzw. Wiesen zu fragen und so mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Oft kann damit auch das Interesse bei den Leuten geweckt werden. 
Es gibt bisher keine Untersuchungen darüber, wie groß die Populationen von Glyptemys insculpta auf Cape Breton sind. Aus unserer Betrachtungsweise mag die Situation vielleicht ganz gut auszusehen, doch in der Woche vor Ort musste das Bild vom ungetrübten Waldbachschildkröten-Himmel einige schmerzliche Kratzer hinnehmen.
Noch war es bewölkt und mit ca. 12 °C nicht gerade warm. Trotzdem gab es um exakt 08:47 Uhr von Urs Landweer die erste Waldbachschildkröte dieses Tages zu vermelden. Es war ein etwa sechsjähriges Tier. Gefunden wurde es im Gras, auf Futtersuche. In den nächsten Minuten sollte sich Urs Landweer als ausgesprochener Schildkröten-Spurenleser auszeichnen!

Bis um 11:00 Uhr konnten wir sieben weitere Schildkröten auf den Wiesen und am Fluss finden. So standen dann kurz vor Abfahrt zum Mittagessen die Daten von jeweils vier adulten und vier juvenilen Schildkröten auf unseren Erfassungsbögen. Neben dem Erfassen der Daten kamen die Gespräche während der Pirsch an diesem Vormittag nicht zu kurz. Am Nachmittag stand zunächst ein Besuch der Stadt Port Hawkesbury auf dem Programm. Hier wurden einige Einkäufe getätigt. Johns GPS-Gerät war am Vormittag zu Bruch gegangen und musste ersetzt werden. Auf der Rückfahrt nach Glendale wurde noch ein weiterer Flussabschnitt besucht. Hier wurde als erstes ein totes adultes Weibchen gefunden. Anhand der Plastronzeichnung konnte später ermittelt werden, dass dieses Tier bereits 2004 von Andreas gefunden und registriert worden war. Die Verletzungen des Tieres waren äußerst merkwürdig. Der Kopf der Schildkröte war sauber abgetrennt. Weitere Verletzungen konnten nicht festgestellt werden. Auch fanden sich keine Fraßspuren. Die Schildkröte wurde eingepackt und für das Museum sichergestellt. Schildkröten-Bilanz des ersten vollständigen Tages waren 11 Tiere an zwei verschiedenen Fundorten.
Nach dem Abendbrot ging es auf Salamandersuche. Gegen Abend hatte es geregnet. John meinte, wir könnten einen Versuch starten und vielleicht die Landform des Grünen Wassermolches oder vielleicht Flecken-Querzahnmolche finden.
John kannte die Stellen, an denen es sich lohnte, Ausschau zu halten. Das Verfahren war recht einfach. Wir fuhren bei Dunkelheit mit dem Auto in Schrittgeschwindigkeit und beobachteten einfach, was vor uns auf der Straße so alles über den Weg lief. Es dauerte auch gar nicht lange und wir hatten unseren ersten roten Molch in der Hand.

Neben den Molchen waren auch einige Frühlingspfeifer (Pseudacris c. crucifer) unterwegs. Die Rufe dieser Laubfrösche begleiteten uns während der gesamten Aufenthaltsdauer. Nur gesehen hatten wir bis dahin noch keinen. Der nächste Morgen begann sonnig. Die Wiesen dampften noch, als wir um kurz vor neun im Beobachtungsgebiet eintrafen. Wir hatten uns entschlossen, zunächst in zwei Gruppen ins Feld zu ziehen. Die Gruppe Becker/Gilhen nahm sich Fluss und Ufer vor, die Gruppe Gräf/Landweer suchte die Wiesen ab. Innerhalb von einer Stunde konnten sechs Waldbachschildkröten gefunden werden, vier adulte Weibchen, ein einjähriges Jungtier und ein adultes Männchen. Dabei konnte sich Herbert Becker gleich mit vier Tieren in die Erfassungslisten eintragen. Andreas Gräf war es leider wieder vergönnt, ein totes Weibchen zu finden. Auch diese Schildkröte war nahezu vollständig und wies nur abgebissene Gliedmaßen auf, die jedoch ebenfalls fast vollständig neben der Schildkröte zu finden waren.
Eine weitere Stunde später wurde, wiederum durch Andreas Gräf, die nächste tote Schildkröte gefunden. Der Vormittag brachte neun Schildkröten, die dokumentiert werden konnten. Bevor es zurück zur Farm gehen sollte, wollte John Gilhen noch Reusen in zwei Kiesteichen ausbringen, um auf diese Art Grüne Wassermolche und einen nahen Verwandten unser heimischen Elritze, nämlich Phoxinus eos zu fangen.
Am Nachmittag ging es zunächst in Richtung Bras d'Or See. Hier wollten wir das Flusssystem in der Umgebung des Ortes River Denys nach Schildkröten absuchen. Allerdings blieb die Suche ohne Erfolg, und so wurde recht schnell beschlossen, die Suche wieder weiter im Süden, am Lamey Brook, fortzusetzen. Zuvor wurden die Reusen kontrolliert und der Inhalt begutachtet. Es befanden sich drei der gewünschten Wassermolche darin und eine große Anzahl von kleinen Fischen, bei denen besonders die Männchen wunderschön gefärbt waren. Hierbei handelte es sich eben um Phoxinus eos. John Gilhen wollte bei diesen Fischen untersuchen, ob es Unterschiede aufgrund von Fundort und Wasserbeschaffenheit (ph-Wert) gibt.

Da die Temperatur deutlich angestiegen war, konnten wir nun auch am Abend darauf hoffen, eierlegende Weibchen der Waldbachschildkröte zu finden. In der Dämmerung ging es zum Lamey Brook. Der Abstieg in das Flusssystem war schon etwas abenteuerlich und wir mussten jederzeit damit rechnen in der Halbdunkelheit auch in Untiefen des Baches zu versinken. Im Gänsemarsch wurde deshalb der Bach durchquert. Bereits auf der ersten Sandbank sahen wir ein Weibchen, was gerade dabei war, eine Nestgrube auszuheben. Aus einiger Entfernung beobachteten wir den Vorgang und mussten aber nach circa einer Stunde feststellen, dass das Tier die Bemühungen eingestellt hatte und wieder ins Wasser zurückgekehrt war. In die ausgehobene Nestgrube wurde ein iButton verbracht und die GPS-Daten notiert. Im Stockdunklen kehrten wir wieder zur Apple Tree Farm zurück.
Der Wetter am nächsten Morgen war schon außergewöhnlich. Über den Hügeln am River Inhabitans stiegen Nebelschwaden auf und der Himmel verdunkelte sich zu einem Gewitter. Es war richtig schwülwarm. Wir konnten uns jetzt schon auf den Abend freuen, wir hatten Waldbachschildkröten–Legewetter. Der Vormittag wurde wieder dazu genutzt, das Habitat am River Inhabitans zu untersuchen. Auch an diesem Tag fanden wir weitere 4 Waldbachschildkröten.
Am Nachmittag wollten wir wenigstens einen Teil von Cape Beton erkunden und so machten wir einen Ausflug nach Inverness. Hier gibt es einen sehr schönen Kiesstrand, der bei schönem Wetter zum Baden einlädt.
Aber natürlich galten unsere Hauptgedanken der Exkursion am Abend. Diesmal sollten die Sandbänke des River Inhabitans untersucht werden. Nach einiger Zeit sahen wir auch ein Weibchen, welches dabei war, eine Eigrube auszuheben. Um es nicht zu stören, sind wir weiter flussabwärts gewandert. Auf einer weiteren, größeren Sandbank waren insgesamt vier Weibchen dabei, Nester zu graben.

Außerhalb der Sichtweite der Weibchen warteten wir, was passiert. Andreas bemerkte seltsame Geräusche in der Nähe des Flusses. Es lies sich aber nicht ausmachen, ob es sich um einen Waschbären oder Otter handelte. Innerhalb kürzester Zeit beendeten die Weibchen ihre Grabversuche und gingen zurück ins Wasser.
Wir sind daraufhin wieder zurück zu dem ersten Weibchen gegangen, welches gerade dabei war, die Eigrube zu verschließen.

Wir konnten deutlich die abgelegten Eier erkennen, verzichteten aber  auf das Vermessen und Wiegen des Geleges Auch in diesem Nest wurde ein iButton beigelegt und der GPS.Standort notiert.

Am Vormittag des vorletzten Tages in Cape Breton wollten Andreas und Herbert einen Bereich des River Denis untersuchen, in dem sie vor sechs Jahren Schildkrötennester gefunden hatten. Leider war in diesem Bereich der Wasserstand so hoch, dass ein Fortkommen nur äußerst mühsam war. Völlig erschöpft wurde nach circa drei Stunden Wanderung durch den Fluss der Versuch abgebrochen und der Heimweg angetreten. Am Nachmittag stand dieses Mal Regeneration und Fotografieren auf dem Programm. Die mitgebrachten Amphibien für das Museum wurden fotografisch dokumentiert. John erwies sich wieder als Feldherpetologe mit Leib und Seele. Innerhalb weniger Minuten brachte er uns eine kleine Rotbäuchige Braunschlange (Storeria occipitomaculata occipitomaculata) Diese sehr kleine, nur etwa 30 cm lange Schlange, wurde sogar von Andreas angefasst.

Gestärkt, erholt und voller Tatendrang wollten wir unseren letzten Abend sinnvoll verbringen. Obwohl es deutlich kühler als am Vortag war, hofften wir auf eine weitere eierlegende Waldbachschildkröte und wir wurden nicht enttäuscht.
Wieder ging es zum Lamey Brook Flusssystem. Bereits nach kurzer Zeit sahen wir ein Weibchen auf einer Sandbank, die eine Nestgrube aushub. Um das Tier nicht zu stören, warteten wir in einiger Entfernung ab und kontrollierten von Zeit zu Zeit die gemachten Fortschritte. Nach etwa einer Stunde schloss das Weibchen die Eigrube. Es war uns zwar nicht gelungen, die Eiablage fotografisch zu dokumentieren, das positive Ergebnis war aber sichtbar. Bei der Kontrolle des Nestes entdeckten wir neun weichschalige elliptische Eier.

Zufrieden traten wir den Heimweg zur Apple Tree Farm an.

Am nächsten Morgen packte John die gefundenen fünf toten Waldbachschildkröten, sowie die Molche und Fische für das Museum in sein Auto. Es ging nun in Richtung Halifax auf den Heimweg. 10 Tage auf Schildkrötensuche in Nova Scotia gingen zu Ende. Wir hatten alle vier Arten in der Natur beobachten können und viele tolle Erlebnisse gehabt. Es war eine anstrengende aber auch wunderschöne Reise

Zusammenfassung:

Im Zuge dieser Feldarbeit konnten Daten von 40 Waldbachschildkröten gesammelt werden. Es wurden 34 adulte Tiere, ein semiadultes und fünf juvenile Tiere registriert. Das Geschlechterverhältnis war 3 Männer und 32 Weibchen, wobei sich nun spekulieren lässt, ob die Weibchen während der Eiablagezeit einfach aktiver sind und das Wasser wegen der Suche nach einem geeigneten Eiablageplatz öfters verlassen. Fünf Schildkröten wurden Tod aufgefunden. Die Todesursache ist rätselhaft.
Fünf Waldbachschildkröten konnten anhand der Plastronzeichnung identifiziert werden. Sie konnten bereits im Jahr 2004 in den gleichen Gebieten beobachtet werden.
Das Gewicht des größten Männchens betrug 1222 g bei einer Carapaxlänge von 21,2 cm.
Das größte Weibchen wog 1120 g bei einer Carapaxlänge von 20,2 cm. Die genaue Auswertung der Daten wird in einer späteren Arbeit publiziert.

Danksagung:

Dank an Liliane und Bruno Spieser für die Gastfreundschaft auf ihrer Apple-Tree Farm.
Thank to Duncan Smith for lots of impression in the Keji special the canue trip to the Blandings. Many thanks to Karen Gilhen who spent one week of her holydays with four crazy turtle-guys. And many thanks to John Gilhen for the multitude of information about the reptiles and amphibians of Nova Scotia, the exchange of experiences, his friendship and for the time together in nature. It was a pleasure for us to walk with you trough the brooks of Cape Breton.

Save the turtles, John!

Marginata 20 (2009)